Schule ohne Rassismus
FWS bei Demo zur Friedlichen Revolution in Gotha
Der lange Demonstrationszug zieht sich durch Gothas Innenstadt – und mittendrin die Klasse 10c der Eschweger Friedrich-Wilhelm-Schule. Der Zug mit vielen bunten Transparenten und Sprechchören geht von der ehemaligen Stasi-Zentrale der Stadt zur Augustinerkirche. Er erinnert an den ersten Protestmarsch vor fast auf den Tag genau vor 30 Jahren. Damals löste er in Gotha die Friedliche Revolution aus, die zur Öffnung der Grenze und zum Sturz der SED-Diktatur führte.
Hintergrund der Aktion ist ein Projekt des Berliner Künstlers Hans Ferenz mit dem Titel „WIR FÜR ALLE“. An zwei Projekttagen haben die FWS-Schüler mit Hans Ferenz und ihrem Klassenlehrer Jörg Heinz die damalige Zeit aufgearbeitet, Zeitzeugen interviewt und im Archiv der Werra-Rundschau recherchiert. Anschließend haben sie Transparente gestaltet, die ihre aktuellen Forderungen an die Politik tragen: Sie wenden sich gegen aktuelle Bedrohungen der Pressefreiheit, gegen Waffenexporte und fordern Maßnahmen zum Schutz des Klimas und der Umwelt. Erstaunliche Erkenntnis für die Schülerinnen und Schüler: Ihre aktuellen Forderungen decken sich in vielen Bereichen mit den Zielen der Revolutionäre vom Herbst 1989.
Beim Demonstrationszug in Gotha traten sie dann gemeinsam mit den altem Kämpfern von 1989 wie Matthias Wienecke und Helmut Rieth, Abgeordneter des ersten Thüringer Landtages nach der Wende und Mitverfasser der Thüringer Verfassung, zu einer gemeinsamen Demonstration mit den alten Spruchbändern und den aktuellen Transparenten auf, außer dem Eschweger Gymnasium beteiligten sich auch Schulen aus Gotha, Eisenach und Großburschla.
Ziel des Zuges war die Augustinerkirche. Dort gab es wie vor 30 Jahren ein Friedensgebet mit Musik und gemeinsamen Gesang im Kerzenschein. Höhepunkt war eine symbolische Übergabe des Staffelstabes durch die alten Revolutionäre an die Jugendlichen, damit sie die auch heute noch hochaktuellen Ziele der Friedlichen Revolution weitertragen: Freiheit, Frieden und Umweltschutz.
Die Zehntklässler der FWS nutzten ihren Aufenthalt in Gotha auch zu einem Besuch des Schlosses Friedenstein. Dort besichtigten sie die Wohnräume und die umfangreiche historische Sammlung der Herzöge von Sachsen-Gotha-Altenburg.
Das Projekt geht weiter: Stelen mit interaktiven Würfeln werden in den nächsten Tagen auf zentralen Plätzen in Gotha, Eisenach und Eschwege aufgestellt. Sie informieren über die Friedliche Revolution, dabei Material aus dem Projekt der FWS-Schüler.
Schüler der FWS besuchen Friedensschule Monte Sole
Geradezu idyllisch wirkt die bewaldete Berglandschaft des italienischen Apennin bei dem kleinen Ort Marzabotto auf den unbefangenen Besucher – und doch hat sich hier – ganz in der Nähe von Bologna – vor 75 Jahren eines der schlimmsten deutschen Kriegsverbrechen ereignet: Soldaten von SS und Wehrmacht töteten fast 800 Menschen und löschten die Bevölkerung mehrerer Dörfer nahezu komplett aus. Die Auseinandersetzung mit diesem mehrtägigen Massaker im Herbst 1944 am Originalschauplatz geht unter die Haut. Diese Erfahrung machten auch 23 Schülerinnen und Schüler der Friedrich-Wilhelm-Schule bei einem Tagesseminar in deram Ort des grausamen Geschehens gegründeten „Friedensschule Monte Sole“. Nach einer Führung zu den Tatorten und bewegenden Zeitzeugenberichten waren die Schüler gefordert, Bezüge zu aktuellen Kriegssituationen und totalitären Tendenzen in der Gegenwart herzustellen.
Dieser Besuch der Friedensschule stand im Mittelpunkt des diesjährigen Schüleraustausches der FWS mit dem Partnergymnasium „Manfredo Fanti“ in Carpi in der italienischen Region Emilia Romagna. Dieser einwöchige Austausch, bei dem die Schüler in Gastfamilien untergebracht sind, besteht seit über zehn Jahren unter der Leitung von Oberstudienrat Jörg Heinz und seiner mittlerweile pensionierten Kollegin Waltraut Späth.
Ursprünglich zielte der Austausch auf eine internationale Vertiefung des Lateinunterrichtes ab. Seit die FWS allerdings „Schule ohne Rassismus“ ist, liegt der Schwerpunkt auf dergemeinsamen Bearbeitung von Themenfeldern wie Diskriminierung, demokratische Kultur, Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus, Flucht und Migration durch die deutschen und italienischen Jugendlichen.
Zu den weiteren Programmpunkten der Austauschwoche gehörten auch ein gemeinsames Theaterprojekt mit Schauspielern aus Bologna, die auch mit Migranten arbeiten, sowie Workshops zum kreativen Schreiben zu den genannten Themen. Die gemischten Arbeitsgruppen aus deutschen und italienischen Schülern präsentierten anschließend ihre Arbeitsergebnisse, die beispielsweise als Gedicht oder Zeichentrick-Film gestaltet waren.
Die jungen Menschen aus Eschwege gewannen in dieser Woche darüber hinaus auch Einblicke in die italienische Lebensweise und Kultur: In ihren Gastfamilien bekamen sie einen Eindruck vom Alltagsleben in Italien.
Ein Tortellini-Kurs im Kulturzentrum von Carpi führte die Eschweger ein in die Geheimnisse der traditionellen italienischen Küche. Unter den strengen Augen erfahrener Köchinnen stellten sie eigenhändig große Mengen der beliebten Nudelspezialität her, die anschließend gemeinsam mit den italienischen Gastgebern verzehrt wurden. Exkursionen führten die Eschweger Gymnasiasten außerdem in die alte Universitätsstadt Padua und nach Modena, wo Dom und Glockenturm Ghirlandina auf der Piazza Grande zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören.
Gelegenheit zur Vertiefung der frisch geschlossenen Bekanntschaften und der inhaltlichen Arbeit an den Themenfeldern Totalitarismus, Diskriminierung, Unterdrückung gibt es schon im April kommenden Jahres. Dann steht der Gegenbesuch der Schülerinnen und Schüler aus Carpi an. Auf dem Programm stehen dann unter anderem Besuche in der NS-Gedenkstätte Buchenwald, in Weimar, in Erfurt, wo sich die Italiener besonders für das Stasi-Museum interessieren, sowie im Grenzmuseum Schifflersgrund. Begleitet und aufbereitet werden die gewonnenen Eindrücke und Erfahrungen dann in gemeinsamen Workshops in der Schule.
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